Der innere Schweinehund

Wer wohl den Schweinehund erfunden hat? Oder gibt es ihn womöglich und er läuft frei herum? Eine Kreuzung aus Hund und Schwein, die in sich alles Hässliche dieser sonst ja für den Menschen recht nützlichen Tiere vereinigt? Nein, wahrscheinlich ging hier jemandem einfach die Fantasie durch und er schuf ein mythisches Wesen, halb Hund, halb Schwein – die Verkörperung niederer Instinkte, schlechter Gewohnheiten und unausrottbarer Gelüste.

Wenn Sie sich vornehmen, mit dem Rauchen aufzuhören, und das nicht schaffen, ist er schuld. Wenn Sie schwören, bei nächster Gelegenheit Ihren Schreibtisch aufzuräumen und drei Wochen später immer noch nichts passiert ist, muss er den Kopf hinhalten. Denn ein Mensch, der nicht das tut, was er sich vornimmt, kann unmöglich selbst dafür verantwortlich sein. Dazu braucht es schon einen Schweinehund.

Sie merken schon, dass ich von dem Konzept des inneren Schweinehunds nichts halte. Was mir daran nicht gefällt, ist die Annahme, dass der Impuls, eine Zigarette zu rauchen oder seinen Schreibtisch nicht aufzuräumen, irgendwie verwerflich sein soll. Das will mir nicht in den Sinn. Warum soll das verkehrt sein?

Das Abwerten und Tabuisieren von Wünschen und Handlungsimpulsen hat lange Tradition. Schon die Bibel ist voller Vorschriften davon, was man nicht tun soll.  Das ist verkehrt und Punkt, und wenn du es doch willst, bist du schlecht. Ein schlichtes Denkmodell von einiger Grausamkeit. Ein nicht ganz unwesentliches praktisches Problem kommt hinzu: die Abwertung des Wunsches, jetzt das zu wollen, was man gestern ablehnte, motiviert Menschen nicht, wirklich umzudenken und Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Im Gegenteil, die Abwertung demütigt den Menschen, der sich verändern will, indem sie ihn in einen guten und einen schlechten Teil spaltet.

Ich möchte Ihnen deshalb ans Herz legen, sich nicht mehr die Geschichte vom inneren Schweinehund zu erzählen. Dann haben Sie zwar keinen mehr, den Sie für Ihre Inkonsequenz beschuldigen können, aber wäre das so verkehrt? Vielleicht liefe es dann beim nächsten Mal, wenn Sie die Zigaretten oder den unaufgeräumten Schreibtisch sehen, ganz schnörkellos auf die einfache Frage hinaus: Was will ich JETZT?

One Response to “Der innere Schweinehund”

  1. KerstinI. sagt:

    Hallo Herr Ingendaay,
    ich stimme Ihnen zu. Die wenigsten Menschen sind bereit für ihr Handeln, Tun und für das was Sie denken die Verantwortung zu übernehmen. Das Drama der eigens erlebten Geschichte scheint so verlockend zu sein. Veränderung ist für die meisten schwer. Warum ist das so? Menschen sitzen lieber auf ihrem gewohnten Sofa, halten an ihrer Geschichte und ihrem Drama fest, weil wenn Sie es loslassen würden, würde erstmal Angst kommen. Das gewohnte ist dann weg und dann kommt die Angst vor dem Ungewohnten. Und diese Angst lässt die meisten stehen bleiben.
    Deshalb suchen wir nach jemand, der dafür Schuld ist, dass wir dies oder jenes nicht machen. Und somit wird Verantwortung für´s eigene Handeln und Tun abgelehnt. Diese Haltung ist weit verbreitet.

    Vielen Dank, dass Sie mit Ihrem Handeln darauf aufmerksam machen. Ihr Blog ist Ihnen gelungen und ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem weiteren Tun.

    Herzliche Grüße
    Kerstin Illg