Archive for April, 2011

Bitte nicht beeindrucken!

Dienstag, April 26th, 2011

In Büchern und Artikeln über Körpersprache wird gerne auf die Wichtigkeit des ersten Eindrucks verwiesen. „Die ersten Momente entscheiden über Ihren Auftritt!“ heißt es da. Und gemeint ist: „Wenn Sie den ersten Eindruck vermasseln, ist es aus.“

Ich möchte hier Entwarnung geben. Es mag zwar Situationen geben, in denen es nur eine einzige Chance gibt, andere Menschen zu überzeugen, z. B. Vorstellungsgespräche. Für alle anderen Situationen aber gilt: Der erste Eindruck ist zwar wichtig, aber nicht etwa deswegen, weil er unverrückbar das Urteil prägt, sondern weil er einen Referenzwert darstellt. Denn Menschen ändern ihre Meinung über andere Menschen im Umgang miteinander. Spätere Eindrücke können den ersten Eindruck bestätigen, relativieren oder in sein Gegenteil verkehren.

Der Schein trügt – und der erste Eindruck eben oft auch. Gehen Sie also gelassen mit dem ersten Eindruck um. Versuchen Sie nicht, einen besonderen ersten Eindruck auf Ihren Gesprächspartner zu machen. Er könnte sonst, wenn er sie später besser kennenlernt, von Ihnen enttäuscht sein.

Seminar „Bühne frei für mich“, 16.04.2011

Montag, April 18th, 2011

Jeder steht einmal auf der Bühne, sei es im Beruf bei Teambesprechungen, Präsentationen oder Diskussionen oder privat beim Vorlesen oder in Gesprächen. So reizvoll und spannend solche Situationen auch sind, sie können auch Angst machen und den Auftretenden zur Flucht oder zur „Selbst-Maskerade“ verleiten.

Wie kann ich meine Botschaften klar und ansprechend formulieren? Wie bewege ich mich, wenn ich auftrete, wie bin ich präsent? Und wie kann ich einen guten, lebendigen Kontakt zu meinen Zuhörern und Zuschauern herstellen, sie berühren, bewegen, überzeugen? Und dann die Frage aller Fragen: Wie gehe ich mit Aufregung und Nervosität um?

Es ist gut, Techniken und Strategien zu kennen, doch der erste und wichtigste Schritt ist, die Gegenwart so anzunehmen, wie sie ist. Ja, ich bin aufgeregt. Ja, es verunsichert mich, dass ich nicht weiß, was die anderen von mir denken. Alles andere kommt danach. Und dann kann es richtig gut werden.

Lesen Sie die Gebrauchsanleitung!

Sonntag, April 17th, 2011

Gehören Sie zu den begeisterten Intuitiv-Nutzern? Sie haben sich zum Beispiel einen neuen CD-Spieler gekauft. Zuhause angekommen, packen Sie das gewichtige Stück aus und fangen gleich an, die Kabel überall dort reinzustecken, wo es passt. Und siehe da, Sie können das Gerät einschalten, es leuchtet und gibt Lebenszeichen von sich! Sofort wollen Sie eine CD abspielen, aber hier klappt irgendetwas nicht. Genauer gesagt, Sie hören keine Musik, nur ein seltsam verdruckstes Brummen, so eine Art Klangverweigerung.

Echte Intuitiv-Nutzer hören jetzt nicht mit Versuch und Irrtum auf. Ihr Kampf hat gerade erst begonnen. Lieber verzichten sie auf die volle Nutzung aller Funktionen, als sich der demütigenden Lektüre der Gebrauchsanleitung zu unterwerfen. Erst Jahre später werfen sie beim Ausmisten vielleicht einen neugierigen Blick in die vergilbte Gebrauchsanleitung, um dann erstaunt festzustellen: „Ich hätte ja …“

Was ist der Mensch? Eine komplizierte Maschine? Ein Computer? Oder ein rätselhaftes Wesen mit unergründlichen Betriebsgeheimnissen? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Der Traum von der totalen Kontrolle führt zu unmenschlicher Konditionierung, zur Vergegenständlichung des Lebendigen. Doch auch das Vertrauen auf eine sich selbst ordnende und selbstheilende Natur hat etwas Problematisches, und zwar dann, wenn es der Mensch versäumt, sich seines eigenen Störpotenzials bewusst zu sein.

Die Natur ist von selbst aktiv. Erwachsene müssen Kindern nicht das Spielen lehren, und der Drang, vitale Bedürfnisse zu befriedigen, braucht keinen künstlichen Anschub. Doch der Mensch hat die Freiheit, den Fluss der natürlichen Kräfte zu stören. Und gerade hier kommt selbstverantwortliches Lernen ins Spiel. Der Mensch braucht Bewusstsein von sich selbst und er braucht die Fähigkeit, mit sich auf förderliche Weise umzugehen. Er muss sich gewissermaßen selbst eine Gebrauchsanleitung schreiben – und lernen, sich danach zu richten.

Nehmen Sie zum Beispiel den Atem. Die Atmung brauchen Sie nicht lernen, das Atmen allerdings schon. Denken Sie an den Gebrauch, den Sie von Ihren motorischen Potenzialen machen. Oder an den Gebrauch, die Sie von Ihrem Denken, Ihrer sensorischen Sensibililtät oder Ihrer emotionalen Vitalität machen. Ein Potenzial zu haben und es recht zu gebrauchen, ist nicht dasselbe. Den stimmigen und effizienten Gebrauch unserer natürlichen Potenzialen können wir weder den Strategen der totalen Selbstkontrolle noch den ungelernten Intuitiv-Nutzern überlassen.

Daher meine Bitte: lesen Sie Gebrauchsanleitungen. Machen Sie Ihre eigenen Erfahrungen. Lernen Sie! Und dann schreiben Sie sich mit der Zeit Ihre Anleitungen selbst.

Nicht ganz normal

Mittwoch, April 13th, 2011

Wenn Sie sich darauf einlassen, etwas an Ihrem Denken und Handeln zu verändern, dann werden Sie etwas an sich erleben, was Sie vorher noch nicht erlebt haben. Dann aber kann es sein, dass Sie das Gefühl bekommen, nicht mehr ganz normal zu sein.

Wenn beispielsweise eine Person, die sich bislang schwer getan hat, eine eigene Meinung zu vertreten, offener über ihre Ansichten spricht, dann fühlt sie sich möglicherweise „arrogant“ oder „egozentrisch“. Und es taucht das Gefühl auf: „Das ist komisch, das ist nicht normal!“

Aber was ist eigentlich normal?

Normalität – ist das die Summe dessen, was die Mehrheit der Menschen tun? Oder was die Mehrheit der Menschen erwarten? Erwartungsnormalität und Handlungsnormalität sind zwei recht verschiedene Größen. Dass eine Mehrheit ein bestimmtes Denken, Fühlen oder Verhalten wünscht und befürwortet, bedeutet nicht, dass diese Mehrheit diesen Ansprüchen im Leben tatsächlich genügt.

So ist das zum Beispiel mit der freien Meinungsäußerung. Hier klaffen Erwartung und Handlung weit auseinander. Wir leben in einer Gesellschaft, die freie Meinungsäußerung zwar mehrheitlich propagiert, aber praktiziert sie sie auch? Ich habe da meine Zweifel. Im Wirtschaftsleben ist es beispielsweise recht üblich, freie Meinungsäußerung zu sanktionieren. Und jeder weiß, wie unwillkommen eine offene Aussprache im Privatleben sein kann. Freie Meinungsäußerung? Gerne, aber bitte beachten Sie unsere allgemeinen Geschäftsbedingungen.

„Die anderen können doch auch sagen, was sie wollen. Und ich habe Angst, meine Meinung sagen – das ist doch nicht normal! “

Doch, das ist es vermutlich. Und es ist relativ normal, Angst zu empfinden, wenn man von der vermeintlich herrschenden Meinung abweicht, weil dieses Abweichen zwar prinzipiell gelobt, aber in Wirklichkeit vermieden wird.

Normalität ist ein Gespenst, das sich bei genauem Hinsehen in nichts auflöst. Wenn Sie sich also das nächste Mal nicht ganz normal fühlen, erschrecken Sie nicht. Fragen Sie sich, wieviele Sie kennen, die das, was Sie von sich erwarten, tatsächlich tun. Die Chancen stehen recht gut, dass Sie überraschende Antworten finden.

Seminar „Gute Kommunikation im Berufsalltag“, 09.04.2011

Samstag, April 9th, 2011

Wer den Mund aufmacht, riskiert Missverständnisse. Wer still ist, ebenso. Deswegen lohnt sich zu fragen: Wie kann ich ein guter Zuhörer sein, also jemand, der sich für das Gemeinte hinter dem Gesagten interessiert? Und was brauche ich, um mich klar, beziehungsfreundlich und wirkungsvoll mitzuteilen? Und dann konkret im beruflichen Alltag: Wie kann ich mit schwierigen Kunden oder einer anspruchsvollen Chefin umgehen? Wie kann ich mutig meinen Standpunkt behaupten, wenn ich die Dinge anders sehe?

„Komm auf den Punkt!“ hieß es in der Seminarausschreibung. Ironischerweise führte dieses Motto  zu einem Missverständnis. Einige nahmen an, dass es bloß einen Punkt gebe, auf den zu kommen ist. Im Seminar zeigte sich: In Wirklichkeit gibt es mehrere.

Denn in der Kommunikation geht nicht nur um die Sache, sondern auch um Beziehungen – um mich und dich, um uns und unseren Blick auf die Sache. Es geht um das, was ist, und um das, was sein soll. Sie sehen: Kommunikation ist ein Spiel mit vielen Punkten.

Sprachlos

Dienstag, April 5th, 2011

Da ist etwas im Raum, und keiner verliert ein Wort darüber. Man redet und erzählt und das, worauf es ankäme, bleibt ungesagt. Kennen Sie das? Inmitten all des „Kommunizierens“ scheint sich manchmal eine gewisse Sprachlosigkeit breit zu machen. Wie kommt das?
Neulich wurde ich in der Bahn von einem Gast, der sich mir gegenüber hinsetzte, gegrüßt. Nichts Ungewöhnliches? Doch, so empfand ich es. Denn er sprach seinen Gruß so aus, als meinte er ihn ernst. Ein echter Gruß, keine Floskel.
Ich wollte lesen und fürchtete schon, mein Gegenüber wolle mich jetzt in ein Gespräch verwickeln. Aber er hatte nichts dergleichen vor. Er hatte mich einfach angesprochen und gegrüßt. Nach meiner ersten Verblüffung fand ich das Verhalten meines unbekannten Gegenübers wohltuend. Menschlich.
Jetzt wundere ich mich, wie oft ich nichts sage, wenn ich Menschen in der Öffentlichkeit begegne, in der S-Bahn, im Cafe, im Geschäft. Anderen scheint es ähnlich zu gehen. Da sitzen, stehen und gehen wir stumm wie verstörte Fische und versuchen es normal zu finden, nicht aufeinander zu reagieren. So als stünden da unsichtbare Verbotsschilder: „Du darfst nicht unaufgefordert sprechen!“
Vielleicht ist hier eine Ursache für die alltägliche Sprachlosigkeit zu finden: in unserem Training, die Gegenwart anderer Menschen nicht für wichtig zu halten. Nur gut, dass es Menschen gibt, die die stillen Regeln der Sprachlosigkeit brechen.

Tücke des Subjekts

Montag, April 4th, 2011

Haben Sie manchmal den Eindruck, dass Sie sich selbst im Weg stehen? Dass Sie es sich einfacher und leichter machen könnten? Dass nicht der blöde Stuhl an Ihren Rückenschmerzen, nicht der Chef an Ihrem Ärger, nicht das Wetter an Ihrer Laune schuld ist?

“Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur so selten dazu.” Dieser herrliche Satz von Ödon von Horvath deutet eine ungemütliche Wahrheit an. Wir selbst hindern uns daran, so zu leben, wie wir es wünschen.

Der innere Schweinehund

Montag, April 4th, 2011

Wer wohl den Schweinehund erfunden hat? Oder gibt es ihn womöglich und er läuft frei herum? Eine Kreuzung aus Hund und Schwein, die in sich alles Hässliche dieser sonst ja für den Menschen recht nützlichen Tiere vereinigt? Nein, wahrscheinlich ging hier jemandem einfach die Fantasie durch und er schuf ein mythisches Wesen, halb Hund, halb Schwein – die Verkörperung niederer Instinkte, schlechter Gewohnheiten und unausrottbarer Gelüste.

Wenn Sie sich vornehmen, mit dem Rauchen aufzuhören, und das nicht schaffen, ist er schuld. Wenn Sie schwören, bei nächster Gelegenheit Ihren Schreibtisch aufzuräumen und drei Wochen später immer noch nichts passiert ist, muss er den Kopf hinhalten. Denn ein Mensch, der nicht das tut, was er sich vornimmt, kann unmöglich selbst dafür verantwortlich sein. Dazu braucht es schon einen Schweinehund.

Sie merken schon, dass ich von dem Konzept des inneren Schweinehunds nichts halte. Was mir daran nicht gefällt, ist die Annahme, dass der Impuls, eine Zigarette zu rauchen oder seinen Schreibtisch nicht aufzuräumen, irgendwie verwerflich sein soll. Das will mir nicht in den Sinn. Warum soll das verkehrt sein?

Das Abwerten und Tabuisieren von Wünschen und Handlungsimpulsen hat lange Tradition. Schon die Bibel ist voller Vorschriften davon, was man nicht tun soll.  Das ist verkehrt und Punkt, und wenn du es doch willst, bist du schlecht. Ein schlichtes Denkmodell von einiger Grausamkeit. Ein nicht ganz unwesentliches praktisches Problem kommt hinzu: die Abwertung des Wunsches, jetzt das zu wollen, was man gestern ablehnte, motiviert Menschen nicht, wirklich umzudenken und Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Im Gegenteil, die Abwertung demütigt den Menschen, der sich verändern will, indem sie ihn in einen guten und einen schlechten Teil spaltet.

Ich möchte Ihnen deshalb ans Herz legen, sich nicht mehr die Geschichte vom inneren Schweinehund zu erzählen. Dann haben Sie zwar keinen mehr, den Sie für Ihre Inkonsequenz beschuldigen können, aber wäre das so verkehrt? Vielleicht liefe es dann beim nächsten Mal, wenn Sie die Zigaretten oder den unaufgeräumten Schreibtisch sehen, ganz schnörkellos auf die einfache Frage hinaus: Was will ich JETZT?