Archive for Juli, 2011

Kommunikation auf Augenhöhe

Freitag, Juli 15th, 2011

In der Gesellschaft spricht man in letzter Zeit öfters über Kommunikation. Eine nicht geringe Anzahl von Bürgern ist nämlich unzufrieden darüber, wie Politiker und andere Entscheidungsträger mit den normalen Menschen sprechen. Kritisiert werden nicht bloß autoritäres Reden und Verhalten, sondern auch ein gewisser Mangel an der für Kommunikation so wichtigen Fähigkeit des Zuhörens. Die Unzufriedenheit ist so groß, dass unlängst bereits das Ende der Basta-Politik verkündet wurde.

Doch so weit ist es noch lange nicht gekommen. Zunächst einmal sind wir in der Phase angekommen, das auch jedes Kind beim Spracherwerb durchläuft: die Zeit des Nachplapperns und Imitierens. Wenn ein Kind beispielsweise das sorgenvolle Aufstöhnen der Mutter imitiert und dann noch mit ernster Miene hinzufügt „Das Leben ist manchmal so schwer“, dann findet das die Mutter lustig. Schau mal, wie ein kleiner Erwachsener!

Wenn Politiker das tun, ist das weniger lustig. Wenn beispielsweise davon die Rede ist, man „kommuniziere auf Augenhöhe“, dann fragt sich, was das bedeuten soll und worin da die Leistung besteht. Solch eine Aussage hat ebenso viel Wahrheitsgehalt wie der Werbeslogan „Jetzt mit 30% mehr Reinigungskraft!“.

Denn wenn man vorher nicht auf Augenhöhe kommuniziert hat, was hat man denn dann getan? Saß da etwa einer auf dem Boden? Herrschten da etwa noch keine Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit? Und wenn es jetzt gut ist, auf Augenhöhe zu kommunizieren, hat man da vorher etwas falsch gemacht? Hat man sich irgendwie über den anderen gestellt, ihn nicht richtig gehört und wahrgenommen, hat man vielleicht nicht wirklich mit ihm (nur zu ihm) gesprochen?

Aber nein! Das meiste Gerede der Politiker über die Kommunikation auf Augenhöhe bedeutet selbstverständlich nicht, dass man in der Vergangenheit schlecht kommuniziert hätte. Der Werbeslogan „Jetzt mit 30% mehr Reinigungskraft“ heißt ja auch nicht „Früher hatten wir ein echt lasches Zeug“.

Dann müsste man ja auch zugeben, dass es einem als Politiker meistens egal war, was die Leute wirklich dachten und dass man an einem freien Meinungsaustausch wenig Interesse hatte. Dann müsste man ja heute den Leuten direkt in die Augen blicken und zugeben, dass man sie früher von oben herab behandelt hat und dass man es heute besser machen will.

Nun ja, aber das wäre selbst einem Politiker zu viel Augenhöhe.

Verändern beginnt mit Nicht-Verändern

Sonntag, Juli 3rd, 2011

Ein seltsames Paradox in der Psychologie der Veränderung besteht darin, dass wir den Prozess der Veränderung dann am wirksamsten in die Wege leiten, wenn wir aufhören, sofort etwas ändern zu wollen.

Wie kommt das?

Stellen Sie sich vor, Sie entdecken in Ihrem Leben etwas, das Sie stört. Was tun Sie als erstes? Ich nehme an, Sie versuchen, dieses störende Etwas irgendwie zu beseitigen oder zu umgehen. Dies ist der Versuch Nummer 1, die Welt wieder in Ordnung zu bringen. Der Versuch Nummer 1 ist in der Regel grob gestrickt. Er besteht in einfachen Korrekturen, Ermahnungen oder Reglementierungen.

„Nimm dich zusammen, du isst zuviel!“

„Sei doch mal etwas mutiger!“

„Was stellst du dich so an, sei doch nicht so ein Schisshase!“

Veränderungsversuche dieser Kategorie können erfolgreich sein. Die lästige Wespe, die sich Ihrer Erdbeertorte nähert, verzieht sich vielleicht tatsächlich, wenn Sie einmal kräftig mit der Hand in ihre Richtung wedeln. Doch wo es um die Veränderung von Einstellungen, Selbstdialogen und Handlungsmodalitäten geht, sind diese Versuche meist erstaunlich wirkungslos. Wenn Sie sich davor fürchten, vor einer größeren Gruppe von Menschen zu sprechen, dann bringt es wenig, sich zu sagen: „Stell dich nicht so an!“ Seltsamerweise wiederholen wir diese Veränderungsversuche oft unzählige Male und glauben trotz ausbleibender Erfolge immer noch daran, damit etwas zu verändern.

Wenn Sie sich einmal die Zeit nehmen, hinter die Kulisse Ihrer Selbstermahnungen und Selbstkorrekturen zu schauen, sehen Sie ungeduldige und ärgerliche Gestalten, die Ihr Leben von allen Störungen befreien wollen. Das sind Ihre Veränderungsmanager – die allzeit geschäftigen Kontrolleure Ihres Lebens. Sie strahlen irgendwie Autorität aus, schüchtern Sie aber auch etwas ein. Wenn Sie sich dann die Zeit nehmen, mit diesen Veränderungsmanagern zu sprechen, werden Sie merken, dass die es auch nicht wirklich besser wissen. Genau genommen, sind sie sogar regelrecht verunsichert. Die haben Angst!

Wenn Sie dies entdecken, werden Sie verstehen, dass es besser ist, diesen Gestalten die Steuerung Ihres Veränderungsprozesses zu entziehen. Führen Sie sich Ihre erfolglosen Versuche der Selbstveränderung vor Augen und machen Sie sich klar: „So hat es nicht funktioniert. So brauche ich es nicht weiterhin probieren. Meine inneren Veränderungsmanager sind überfordert.“

Mit dieser Erkenntnis verbindet sich die Einsicht, dass Sie zunächst einmal nicht wissen müssen, wie Sie Ihr Veränderungsziel erreichen könnten. Es reicht, zu spüren: „Da ist es etwas, um das ich mich kümmern will. Ich weiß noch nicht, wie ich das schaffe.“ Wenn Sie diesen Schritt vollziehen, werden Sie eine gewisse Entspannung erleben. Sie haben vielleicht das Gefühl: „Wie wunderbar, mich nicht angestrengt gegen diese Störungen in meinem Leben stemmen zu müssen!“ Zugleich erleben Sie vielleicht Ihre Unsicherheit angesichts der anstehenden Herausforderungen, die der gewünschte Veränderungsprozess mit sich bringt. Sie merken dann vielleicht aber auch: „Ich kann diese Unsicherheit aushalten, denn ich spüre noch etwas anderes, etwas das mir Hoffnung gibt, etwas Lebendiges, Unbändiges, das ich vorher bei all meinen bemühten Veränderungsaktionen nicht bemerkt habe!“

Verändern beginnt mit Nicht-Verändern. So einfach ist das. Anstrengung bringt nichts, im Gegenteil, sie fixiert die Angst vor Veränderung im Krampf undurchdachter Korrekturen.  Hören Sie auf, sich anzustrengen, denn die meisten Wespen kommen sowieso wieder. Und wenn man sie ärgert, stechen sie.