Archive for September, 2011

Gefühle in Bewegung (4): Warum Bewegung für unsere Gefühle gut ist

Freitag, September 30th, 2011

Um zu verdeutlichen, wie ein gelingendes Zusammenspiel von Fühlen und Denken möglich werden könnte, möchte ich zunächst etwas über die Rolle der Bewegung für das Gefühlsleben sagen. Schauen wir auf die beiden Funktionen von Gefühlen – Information und Motivation – und fragen, welchen Einfluss Bewegung auf die Verwirklichung dieser Funktionen hat.

Bekanntlich ist es möglich, Gefühle zu übersehen, zu unterdrücken, zu verdrängen. Bei all diesen Verdrängungsprozessen gleich welcher Ursache spielt der Körper eine wichtige Rolle. Da Gefühle von selbst auftauchen und sich mit einiger Intensität in die Aufmerksamkeit drängen, ist es aufwändig, Gefühle, die man einmal deutlich wahrgenommen hat, anschließend zu ignorieren. Wenn man wirklich sicher gehen will, dass die lästigen Signale der Gefühle den gewohnten Gang der Dinge nicht stören, ist es weitaus wirksamer, dafür zu sorgen, dass man sie erst gar nicht wahrnimmt. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.

Wenn Sie beispielsweise Ihre Atmung übermäßig kontrollieren, beschränken Sie die vertiefte Atmung, die mit Gefühlen wie Ärger, Schmerz oder Freude einhergeht. Dadurch wird es fast unmöglich, diese starken Gefühle überhaupt differenziert zu erleben. Wenn Ihre Bewegungen im Korsett angestrengter Muskelkoordinationen stecken, fühlen Sie sich selbst nicht so deutlich. Die sensorische und emotionale Wahrnehmung ist weniger intensiv. „Bin ich wütend? Ach nein, nur etwas verwundert? Bin ich enttäuscht? Ach was, das ist schon in Ordnung.“ Sich selbst weniger zu fühlen, ist oft ein schrittweiser Prozess, ähnlich dem allmählichen Grauerwerden einer Fensterscheibe. Erst wenn man wieder Klarheit herstellt, erkennt man, worauf man die ganze Zeit verzichtet hat.  

Das ist der Grund, warum umgekehrt eine Verbesserung der Bewegung die Wahrnehmungsfähigkeit steigert und dann zu einer erhöhten Sensibilität gegenüber Gefühlen führt. Wer beweglicher ist, wird sich nicht nur beweglicher fühlen, sondern auch offener, freier und lebendiger. Wir dürfen nicht vergessen, dass Fehlspannungen nicht nur mit unangenehmen Körperempfindungen einhergehen, sondern auch Gehirnleistung binden. Es ist nicht nur körperlich, sondern auch geistig anstrengend, sich ungünstig zu bewegen.

Bewegung beeinflusst nicht nur die sensorische Sensibilität, sondern ist auch an der motivierenden, energiegebenden Funktion von Emotionen direkt beteiligt. Denn natürlich empfindet ein Mensch, der sich in seinem Körper zu hause fühlt, der motorisch handlungsfähiger und energievoller ist, weniger Angst und Unsicherheit, dafür mehr Selbstvertrauen und Mut. Er wird sich mehr zutrauen und leichter zu sich stehen, er wird fähig sein, sich den Raum zu nehmen, den er braucht. Emotionen geben uns eine mächtige Antriebsenergie, wenn wir jedoch diese Energie nicht in gute Bewegungsbahnen lenken, kann es passieren, dass wir aus der Kurve fliegen – oder gar nicht erst in Gang kommen.

Wenn Sie sich zum Beispiel an eine Aufgabe heranwagen, die Sie besonders reizt, die Ihnen aber auch einiges abverlangt und vielleicht auch etwas Angst macht, dann brauchen Sie nicht nur Ihre emotionale Motivation, um zum Erfolg zu kommen, sondern auch die Fähigkeit, Ihre positive psychische Energie in effiziente Bewegung zu übersetzen. Der Körper ist das Organ der Verwirklichung, er ist ein Instrument, das unsere Absichten zum vollen Ausdruck bringt. Wenn wir es nicht verstehen, mit ihm angemessen zu kommunizieren, bleiben unsere schönen Träume im Ungefähren. In meiner Praxis beobachte ich oft, dass Menschen an sich zweifeln, weil sie nicht das tun, was sie gerne wollen. In vielen Fällen ist  die effiziente Energetisierung des Körpers ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Erfolg. Gerade dann, wenn man an eine Sache mit gemischten Gefühlen herangeht, und ein Scheitern durchaus möglich, ist es wichtig, den Einfluss von Angst und Unsicherheit in Grenzen zu halten und sich und seine Energien auf gutes Gelingen auszurichten.

Daher ist es wichtig, Gefühle nicht bloß als psychisches Phänomen zu begreifen (was sie selbstverständlich auch sind), sondern auch als körperliches. Gute Bewegung verbessert die Wahrnehmungsfähigkeit und steigert die Ausdrucks- und Handlungsfähigkeit. Dies kommt unserem emotionalem Erleben unmittelbar zugute.

Gefühle in Bewegung (3): Wozu der Schmerz?

Donnerstag, September 29th, 2011

Dank ihrer besonderen Eigenschaften (Schnelligkeit, Intensität und Eigenwilligkeit) können Gefühle ihre Funktion ganz besonders gut erfüllen. Gefühle machen uns darauf aufmerksam, dass etwas Bedeutsames passiert – und sie tun dies so, dass wir sie nicht ohne weiteres ignorieren können. Was genau im Moment so wichtig ist, müssen wir selbst herausfinden. Gefühle tragen kein Etikett, auf dem steht, was sie bedeuten. Gefühle verbinden uns einfach in Sekundenschnelle mit einer Bewertung der Situation. Vor dem Hintergrund unserer gesamten bisherigen Erfahrung sagen uns Gefühle, wie das, was wir da gerade erleben für uns einzuschätzen ist, ob es für uns gefährlich, wertvoll, langweilig oder reizvoll ist. Wir tragen in uns eine riesige emotionale Datenbank, die zu Beginn des Lebens (manche sagen, schon bereits vor der Geburt) angelegt und seither mit immer neuen Informationen gefüttert wurde.

Stellen Sie sich vor, Sie besichtigen eine neue Wohnung. Während Sie durch die leeren Räume spazieren und sich die Ausführungen des Maklers anhören, bekommen Sie so ein komisches Gefühl im Bauch. Sie können sich das gar nicht genau erklären, denn die Wohnung ist eigentlich ganz schön, aber irgendwie gefällt Ihnen die Vorstellung nicht, dort zu wohnen. – Solche komischen Gefühle können nicht immer aufgeklärt werden. Vielleicht wird Ihnen später klar, dass die Wohnung Sie an eine frühere Wohnung erinnert hat, in der Sie sich wie in einer verlassenen Höhle gefühlt haben. Vielleicht fällt Ihnen aber auch auf, dass es eher der unsympathische Makler war, der zu Ihrem Eindruck beigetragen hat.

Gefühle sind zunächst ungenaue Informationsgeber, dafür aber sehr schnelle und intensive. Diese Eigenart ist auch für ihre zweite wichtige Funktion von Bedeutung: Gefühle geben uns Energie, unsere Bedürfnisse, Wünsche und Anliegen auszudrücken und etwas zu unternehmen. Gefühle wollen irgendwohin mit uns. Sie haben gewissermaßen einen Auftrag. Sie drängen, locken, ziehen, treiben uns – sie bewegen uns in eine bestimmte Richtung.

Wir brauchen Gefühle, damit sie uns über uns und die Welt informieren und zu aktivem Handeln motivieren. Selbsterfahrung und Selbstausdruck kommen ohne Gefühle nicht aus. Wenn wir lernen, auf unsere Gefühle zu achten und ihre Signale zu verstehen, wird es uns gelingen, bessere Entscheidungen zu treffen, Probleme leichter zu lösen, anderen Menschen mit Offenheit und Selbstvertrauen zu begegnen und unserem Leben eine sinnvolle Richtung zu geben.

Die Schwierigkeit, die sich uns aber dabei präsentiert, ist, dass Gefühle nicht bloß brav auf gedankliche Bewertungen reagieren, sondern auch auf Wahrnehmungen anspringen, die wir jetzt machen und die uns mit dem Erleben vergangener Erfahrungen verbinden. Dadurch wird eine Überlegung notwendig: Ist die aktuelle Situation wirklich mit der vergangenen zu vergleichen? Hilft mir die Emotionen, die anstehende Situation gut zu bewältigen?

Wir stoßen hier auf das alte Problem des Verhältnisses zwischen Fühlen und Denken. Sollen Verstand und Wille das Gefühl „beherrschen“ oder sollen wir den Gefühlen die Führung überlassen?

Gefühle in Bewegung (2): Wie sind Gefühle?

Mittwoch, September 28th, 2011

Es wird keine Einigkeit darüber zu erzielen sein, was genau eine Emotion ist und was nicht. Ist Überraschung eine Emotion? Oder Verspieltheit? Immerhin ist klar: Die großen Gefühle sind Angst, Schmerz, Wut, Trauer, Liebe. Darüber hinaus gibt es viele Spielarten, Abwandlungen, gemischte Gefühle.

Was mich hier mehr interessiert, ist die Qualität von Gefühlen, ihre Beschaffenheit. Wenn man Gefühle mit Gedanken vergleicht, fällt vor allem auf: Gefühle sind besonders schnell, besonders intensiv und besonders eigenwillig.

Gefühle entstehen aus Bewertungen. Wenn Ihnen beispielsweise einfällt, dass Sie Ihren Hausschlüssel vergessen haben mitzunehmen, könnten Sie sich ärgern – falls Sie die Einstellung haben, dass ein normaler Mensch keine Schlüssel vergessen sollte. Jeder emotionalen Reaktion liegt eine Bewertung zugrunde. An Kinder kann man manchmal ganz schön beobachten, wie sie regelrecht überlegen, ob sie anlässlich eines Missgeschicks weinen oder lachen sollen.

Doch Gefühle aktivieren sich nicht bloß, wenn der Verstand eine bestimmte Bewertung abgibt. Gefühle springen assoziativ von selbst an, wenn bestimmte Wahrnehmungen gemacht werden, die uns an frühere Wahrnehmungen erinnern. Gefühle verfügen physiologisch gewissermaßen über Schnellleitungen, die sie am Verstand vorbei schleusen. Die emotionale Bewertung einer Situation kann erfolgen, bevor der Verstand kapiert hat, was los ist. Wir kennen das alle: Ein Duft oder ein Lied kann schöne Erinnerungen wachrufen und schon schweben wir auf einer Wolke des Entzückens. Heinrich Heines Loreley ist ein klassisches Beispiel:

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,

Dass ich so traurig bin,

Ein Märchen aus uralten Zeiten,

Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Natürlich beruhen die ursprünglichen emotionalen Erfahrungen ebenfalls auf Bewertungen, aber die Wege der Erinnerung sind verwinkelt und kaum je ganz aufzuklären. Hier und heute kann der erinnerungsgestützte emotionale Bewertungsprozess oft nicht mehr bewusst durchdrungen werden, er ist fest verwoben mit der sensorischen Erfahrung. Entscheidend ist, was ankommt: das unmittelbare intensive Gefühl. Lange bevor wir Gefühle verstehen können, wirken sie.

Die Intensität von Gefühlen hängt mit ihrer leiblichen Qualität zusammen, ihrer Spürbarkeit. Gefühle werden eben gefühlt, also körperlich erlebt. Gefühle bewegen uns mit Haut und Haaren. Ein Gedanke kann etwas klarer machen, Verbindungen herstellen, Möglichkeiten aufzeigen. Ein Gedanke überzeugt, leuchtet ein, verwirrt, aber er kann uns nur dann ganz packen, wenn er auch mit Emotionen einhergeht. Und zuletzt: Dass Gefühle so eigenwillig sind und man ihnen nicht gebieten kann, wissen wir gut aus Erfahrung. Man kann sich Gedanken machen, aber nicht Gefühle – die kommen oder nicht, wie sie wollen.

Besonders schnell, besonders intensiv, besonders eigenwillig – das sind Gefühle.

Gefühle in Bewegung (1): Nicht ganz so einfach

Montag, September 26th, 2011

Gefühle sind Bewegung. Das Wort Emotion deutet darauf hin, dass Gefühle etwas sind, das sich und das uns bewegt. Gefühle bewegen uns auf verschiedene Weise. Freude hüpft, Trauer zieht nieder, Verzweiflung schüttelt, Zuversicht treibt voran.

Emotionen können uns auch bedrängen, einengen, zerreißen, belasten. Sie sind da. Sie sind nicht wegzuschieben. Sie bringen unsere Pläne durcheinander. Sie wollen sich durch bloßes Zureden nicht verziehen. Aber: Ohne Emotionen ist das Leben ist nicht lebenswert. Nur wenn wir fühlen können, können wir das Leben vollständig leben. Für unsere Lebensgestaltung, für unsere Zufriedenheit, unser Glück, für unsere körperliche, geistige und seelische Gesundheit sind Gefühle wichtig.

Früher hieß es: Haltung bewahren! Seine Gefühle muss man im Griff haben. Später änderte sich das und manche sagten: „Das ist eben mein Gefühl“, als wollten sie sagen: „Darüber kann man nicht diskutieren, Gefühle haben immer recht.“

Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Gefühle sind weder eine Gefahr für unsere innere Ruhe noch ein Freifahrtschein für willkürliches Handeln. Es geht darum, die natürlichen Eigenschaften und Funktionen von Gefühlen zu verstehen. Dann hat man eine bessere Chance, mit Gefühlen gut umzugehen. Wie man mit den eigenen Gefühlen umgeht, bestimmt, ob sie ihren Wert für uns wirklich entfalten, oder ob sie uns (und andere) täuschen und fehlleiten. Jeder hat das schon einmal erlebt: da ist irgendetwas so ganz wichtig, man ist sich sicher, wenn ich dies oder jenes habe, dann bin ich glücklicher. Und dann bekommt man es, und was passiert? Nichts weiter. Die Suche nach der nächsten Wichtigkeit beginnt – die Jagd nach dem Glück.

Gefühle brauchen unsere aktive Mitarbeit. Wir können sie verstehen und ihre Energie gut für uns nutzen – oder sie können uns verwirren und in Aktionen stürzen, die wir später lieber rückgängig machen würden.

Ich frage: Wie können wir Gefühle besser verstehen? Wie können wir ihre Energie besser für uns nutzen? Wie können wir starre emotionale Zustände wieder ins Fließen bringen? Wie können lebendige Emotionen unser Leben und persönliche Entwicklung bereichern? Wie können wir Gefühle in Bewegung und Bewegung in Gefühle bringen?

Wenn Sie zum Beispiel den Wunsch haben, sich weniger Sorgen zu machen, sich von Ängsten nicht überfallen zu lassen, sich von der Wut nicht mitreißen zu lassen, sich genussvoller durchs Leben zu bewegen oder mit Freude und postiver Motivation Ihre Dinge zu tun, dann ist diese in lockerer Folge erscheinende Serie von Beiträgen für Sie interessant.