Archive for the ‘Selbstbewusstsein’ Category

Gefühltes Wissen

Donnerstag, September 13th, 2012

Ich wache auf. Zuerst sind da nur unbestimmte Eindrücke: das Gefühl irgendwie verknotet zu liegen, es ist warm und ich habe Durst. Der nächste Gedanke: irgendwas ist schwierig. Und als eine Stimme mich erinnert, dass es jetzt Zeit aufzustehen ist, weiß ich bereits: Ich habe gar keine Lust aufzustehen, ich könnte mich am liebsten einfach nur wegdrehen und weiterschlafen.

Seltsam, dass wir wissen können, ohne verstehen zu müssen. Wir können wissen, dass es uns gut geht, ohne zu verstehen, warum. Wir können auch wissen, dass wir unglücklich sind, dass es ein Problem gibt, dass eine Gefahr droht oder etwas Wunderbares passieren wird, ohne dass wir uns erklären könnten, warum wir das so sicher wissen. Wir wissen es einfach.

Wir können diese Art des Wissens gefühltes Wissen nennen. Es bildet die Basis unserer Wirklichkeitserfahrung. Unsere Sinnesorgane liefern die Empfindungen und sensorischen Eindrücke, dann kommen irgendwie noch Vorstellungen und Gefühle dazu. Das Bewusstsein „schwimmt“ in dieser Suppe aus Körperempfindungen, Gefühlen und Gedanken. Der Verstand mag noch sehr die eigentliche Bedeutung dieser Erfahrung durchdringen wollen, es kann ihm nie ganz gelingen. Denn der Verstand schwimmt ja mit, er ist Teil des Bewusstseinsprozesses. Der Verstand kann nur so tun, als würde er das Ganze mal von außen anschauen. Er kann Distanz simulieren, ohne sie je echt verwirklichen zu können.

Die erste Aufgabe in jeder Art von bewusster Lebensgestaltung ist, sich mit dem eigenen gefühlten Wissen anzufreunden. Das bedeutet nicht, dass wir alles glauben müssen, was dieses Wissen uns erzählt. Wir können nämlich beobachten, dass es voller Irrtümer, Fehlschlüsse und einengenden Konditionierungen ist.  Dennoch ist das gefühlte Wissen zugleich unser wichtigster Schatz. Es steckt voller Weisheit, Intuition und Schönheit. Was immer wir in unserem Leben verändern, entdecken und entfalten wollen – wir können dies nur im Dialog mit unserem gefühlten Wissen tun.

Gefühle in Bewegung (6): Gefühle zulassen, ohne sich mitreißen zu lassen

Montag, Oktober 3rd, 2011

Wann haben Sie zum letzten Mal hemmungslos herumgealbert? Ich hoffe, es ist nicht allzu lange her. Das Schöne an der Ausgelassenheit ist, dass wir etwas tun, bevor wir es verstehen können. Es macht Spaß, sich so gehen zu lassen. Wenn Gefühle jedoch unser Leben schwer machen – Sorgen, Ängste, Zweifel, Schuldgefühle etc. -, kann es sehr nützlich sein, sich nicht sofort mit den Gefühlen gehen zu lassen.

Ich möchte Ihnen nun einen abgestuften Umgang mit Gefühlen vorschlagen. Dieser Prozess beachtet die natürliche Wildheit und Eigenwilligkeit von Gefühlen. Es geht also nicht darum, Gefühle zu „beherrschen“. Andererseits wollen wir schauen, ob es nicht Wege gibt, die Information und die Energie, die in ihnen steckt, zu nutzen, ohne uns von ihnen blind mitreißen zu lassen.

Das Erste, was wir mit Gefühlen „machen“ können, ist sie zu bemerken und zu beachten – in ihrer fühlbaren Qualität, in ihrem Verlauf und in ihrer Richtung. Wir müssen sie nicht sofort verstehen – sie zu erleben ist zunächst das, was zählt.

Doch präsentiert sich uns hier gleich eine gewaltige Schwierigkeit: die schon beschriebene Schnelligkeit und Intensität der Gefühle, die uns zur Aktion drängt. Wir kennen das alle: binnen Sekunden sind wir geladen, tief enttäuscht oder begeistert. Sofort wollen wir die dazu passende Handlung ausführen: den Teller auf den Fußboden schmeißen, uns verkriechen oder jemanden stürmisch umarmen. Wir wollen schließlich irgendwo hin mit unserer Energie!

Es ist klar, dass wir, wenn wir das zulassen, keine Chance haben, die unserem Gefühl zugrundeliegende Bewertung der Situation zu prüfen. Es geht einfach zu schnell. Zeit ist aber, was wir brauchen, um unser Gefühl bewusst zu erleben und zu verstehen. Manche Gefühle übertragen wir aus der Vergangenheit in die Gegenwart, ohne genau darauf zu achten, ob diese emotionsgelandene Gleichung auch aufgeht. Früher mögen diese Gefühle angemessen gewesen sein – heute können sie irreführend sein. Denken Sie daran, wie Sie auf Kritik reagieren, wie Sie mit Erfolgen umgehen, welche Ansprüche Sie an sich stellen, wie Sie sachlich-distanzierten oder überschwänglichen Menschen begegnen. Ihre „normale“ Art zu reagieren, hat möglicherweise mit der aktuellen Situation wenig zu tun, und dann ist es gut, wenn Sie zu Ihren Gefühlen Distanz aufbauen können.

Wie können wir diese Zeit gewinnen und wie können wir die Wildheit der Gefühle zähmen, ohne sie zu unterdrücken? Können Gefühle warten, bis der Verstand Zeit bekommen hat, sie zu analysieren und zu bewerten? Hier kommt wieder Ihr Bewegungssinn ins Spiel. Sie können zwar nicht verhindern, dass in einer konkreten Situation ein bestimmtes Gefühl plötzlich auftaucht. Das emotionale Ereignis geschieht ohne Ihr bewusstes Zutun. Aber wie Sie dann mit sich und dem Gefühl umgehen, lässt sich sehr wohl steuern.

Die Idee: Lassen Sie die spontane Bewegung des Erlebens zu, aber schieben Sie jegliche Handlungsbewegung auf. Sagen Sie Ihren Muskeln, dass Sie jetzt erstmal nichts zu tun haben, wie wenn Sie an einer roten Ampel stehen und sich auf eine kleine Wartezeit einrichten. Sorgen Sie während dieses Prozesses dafür, dass Ihr ganzer Körper beweglich ist, denn während Sie Ihr Gefühl erleben, ohne direkt zu handeln, flutet eine Menge neuer Informationen durch Ihr Bewusstsein und die Körperpräsenz hilft Ihnen, diesen Stress zu verkraften. So könnten Sie zum Beispiel, wenn Sie im ersten Ansturm eines wütenden Gefühls sofort etwas unternehmen wollen, innehalten und das Gefühle „durchrauschen“ lassen. Alle möglichen Stimmen melden sich in Ihnen – solche, die die Wut rechtfertigen, vielleicht aber auch andere, die eine andere Sicht vermitteln.

Kommen Sie dann mit sich ins Gespräch und versuchen Sie herauszufinden, welche Bedeutung das hat, was Sie da wahrgenommen haben. Geben Sie Ihrem Körper und damit auch der emotionalen Raum immer wieder Raum. Gefühle können nicht verstanden werden, bevor Sie gefühlt und erlebt werden. Gefühle klarer zu erleben, heißt jedoch nicht, sie direkt auszuleben. Benutzen Sie auch Ihr Denken, klären Sie, ob Ihre Wahrnehmung wirklich der Realität entspricht. Wenn Sie finden, dass Ihr Ärger gerechtfertigt ist, können Sie ihn immer noch ausdrücken, aber möglicherweise wird Ihnen klar, dass die aktuelle Situation doch ein wenig anders gelagert ist, als es Ihren Gefühlen im ersten Moment erschien.

Dieser ganze Prozess darf nicht erzwungen werden, sondern erfodert dynamische Präsenz und  energievolle Gelassenheit. Die Fähigkeit zum gelassenen Abwarten lässt sich erlernen. Je besser Sie die Dynamik Ihrer Muskeln kennenlernen, desto leichter wird es Ihnen fallen, auch in hochemotionalen Situationen nicht den Kopf zu verlieren, sondern mit Ihren Gefühlen zu kommunizieren, statt ihnen blind zu folgen.

In Heines Gedicht heißt es am Schluss:

 

Den Schiffer im kleinen Schiffe

Ergreift es mit wildem Weh;

Er schaut nicht die Felsenriffe,

Er schaut nur hinauf in die Höh.

 

Ich glaube, die Wellen verschlingen

Am Ende Schiffer und Kahn;

Und das hat mit ihrem Singen

Die Lore-Ley getan.

Sie sehen, Gefühle können uns an der Nase herumführen. Es ist wichtig, sie zu bewusst zu erleben und sie als Informationsquelle zu nutzen, dabei aber den Kopf nicht zu verlieren. Unser Selbst funktioniert als Ganzes, emotionale Erfahrungen sind immer mit körperlichen Erfahrungen verbunden. Deswegen können ungünstige Bewegungsmuster unsere Fähigkeit einschränken, unser Denken konstruktiv einzuschalten, wenn wir von starken Gefühlen beeinflusst werden.

Ich glaube, es ist eine gute Idee, wenn wir anfangen, der Bewegung des Lebens in uns in all seinen Formen noch mehr zu vertrauen. Denn erst dann haben wir eine echte Chance, die Richtung, in die sie uns trägt, mitzubestimmen.

 (Ende der Serie)

Gefühle in Bewegung (5): Gefühle sind Muskelarbeit

Sonntag, Oktober 2nd, 2011

Ich möchte nun einige konkrete emotionale Wirkungen zeigen, die zu erwarten sind, wenn sich die Bewegungskompetenz in eine bestimmte Richtung verbessert. Diese Wirkungen beruhen auf meinen persönlichen und beruflichen Erfahrungswerten als Alexander-Technik-Coach und sind selbstverständlich nicht für jeden genau gleich. Außerdem hat die Verbesserung des Bewegungsverhaltens die Tendenz, jene Gefühle zuerst zu Bewusstsein kommen zu lassen, deren muskuläre „Knebelung“ jüngeren Datums ist, während länger bestehende Fehlspannungen meist langsamer „auftauen“. So erleben Menschen, die etwa in ihrem beruflichen Alltag stark gestresst sind, durch eine Regulierung ihres Muskeltonus mal ein Gefühl der Leichtigkeit oder der Schwere, mal ein Gefühl der Energie oder der Müdigkeit, je nachdem, welches Bedürfnis den dringendsten Nachholbedarf hat.

In all dem, was ich jetzt beschreibe, geht es nicht darum, Gefühle durch Bewegungen zu provozieren, sondern durch Bewegung im ganzen Körper günstige Rahmenbedingungen für den emotionalen Prozess zu schaffen. Gefühle kommen von selbst – wenn wir sie nicht stören.

Knochen machen sicher: Wenn eine Person sich die unterstüztende Kraft ihrer Knochen vergegenwärtigt, dann erlebt sie meist ein Gefühl der Stabilität und damit der Sicherheit und Erdverbundenheit. Dies kann besonders in Stress-Situationen eine willkommene Unterstüzung sein.

Gelenke machen leicht und lustig: Wenn man sich die Dynamik der Gelenke bewusst macht und ihr in seinen Bewegungen folgt, dann tauchen fast von selbst Empfindungen der Leichtigkeit, der Freiheit und Wendigkeit, ja der Verspieltheit und Freude auf. Dies hebt nicht nur die Lebenslust, sondern ist in Situationen besonders hilfreich, in denen Sie viel Kreativität und mentale Beweglichkeit brauchen.

Muskeln machen gelassen und kraftvoll: Das Bewusstsein für die wechselnde Spannung der Muskeln erzeugt oft ein Erleben von Gelassenheit, zugleich aber auch von Macht und Wirksamkeit. Dabei ist aber notwendig, die Muskeln nicht nur in ihrer Fähigkeit zur Anspannung anzusprechen, sondern auch zur Entspannung. Besonders wenn wir arbeiten oder sonst aktiv sind, ist es für unsere Ausgeglichenheit und innere Ruhe entscheidend, dass unsere Muskeln nicht nur Macher sind, sondern auch mal abwarten und Spannung abbauen können.

Gehen wir nun einen Schritt weiter. Bewegung entsteht ja nicht aus dem zufällig gleichzeitigen Wirken vereinzelter Teile, sondern aus einem koordinierten Zusammenspiel. Unser Körper ist wie ein Orchester, das aus verschiedenen Instrumenten besteht, die von einem Dirigenten – unserem Denken – gelenkt werden. Dabei spielen die verschiedenen Körperteile eine besondere Rolle.

Der Kopf sitzt oben auf und ist der Souverän, von dem die Selbstbehauptung ausgeht. Hier ist ein wichtiges Wahrnehmungs- und Kommunikationszentrum. Der Kopf balanciert in bester Lage mit Weitblick und Umsicht, er ist wesentlich für unser Gleichgewicht und unsere Orientierung im Raum.

Die Wirbelsäule ist die strukturierende Achse, die uns trägt und einen Organraum schafft, in dem die weichen Organe Platz und Halt finden. Sie ist zugleich eine Kommunikationspipeline, die alle Botschaften vom Gehirn zur Peripherie und auch wieder zurück leitet.  Der Rumpf ist ein großer Organraum, mit einer Besonderheit im oberen Teil, dem Brustkorb. Er schützt nicht nur Herz und Lungen, sondern sorgt mit den ryhthmischen Bewegungen der Rippen für die Grunddynamik der Atembewegung – eine elegante Lösung, wenn man bedenkt, dass die Atmung sensibel auf bewegungsbedingte Veränderungen im Sauerstoffbedarf  reagieren muss.

Die Beine und Füße dienen der beweglichen Unterstützung und der Fortbewegung. Der Körper balanciert auf relativer kleiner Grundfläche, was ihm das Gehen erleichtert, denn das Körpergewicht kann leicht als Bewegungsmotor eingesetzt werden. Im aufrechten Stand ist alles, was wir zu tun haben, um von der Stelle zu kommen, loszulassen und schon setzt sich der Körper in Bewegung. Schultern, Arme und Hände haben keine direkte Fortbewegungsfunktion und genießen deswegen alle Freiheit, Kontakt mit Gegenständen und Menschen aufzunehmen, zu spüren, zu tasten, zu gestalten und formen.

Diese funktionellen Bewegungsregionen sind für unsere Gefühle von Bedeutung. Becken, Beine und Füße vermitteln Stabilität und damit Sicherheit. Die Arme und Hände geben uns eine Gefühl von Freiheit und Gestaltungskraft. Es ist ein gutes Gefühl, „freie Hand“ zu haben. Wer zuviel Last auf den Schultern trägt, fühlt sich gedrückt. Der Kopf hoch oben vermittelt Präsenz und Souveränität. Zusammen mit der Wirbelsäule erschließt der Kopf uns Selbstbewusstsein und Stärke. Wer mit seinem  Atem im Kontakt ist, erlebt seine Gefühle differenzierter und tiefer. Wer seine Augen fließend bewegt und den besonders in Stress-Situationen so typischen „starren Blick“ vermeidet, der erlebt eine gesunde Distanz zum Geschehen und zum eigenen Handeln.

All diese speziellen Wirkungen beruhen darauf, dass wir im Körperganzen gut koordiniert sind. Die Aufmerksamkeit für das dynamische Zusammenspiel der Körperteile und ihre effizienten Steuerung erzeugt ein Erleben von guter Kontrolle, Sammlung und Klarheit. Man fühlt sich ausgeglichen, aufgeräumt und handlungsbereit.

Aufs Ganze gesehen, vermittelt uns gute Bewegung eine grundlegende Erfahrung, die auch für unser Gefühlsleben wichtig ist. Ich spreche von der Erfahrung, dass ein Mensch sich den Raum nehmen kann, den er braucht. Jeder Mensch braucht Raum für sich und sein Denken und Handeln. Wir müssen „aufgehen“ können in dem, was wir tun. Wir müssen uns ungehindert „gehen lassen“ dürfen. Jeder Prozess der Entwicklung und Entfaltung sowohl körperlich als auch geistig setzt raumgreifende Bewegungen voraus. Angst ist mit einem Zusammenziehen und Verengen des Körpers verbunden, Vertrauen hingegen mit einer Ausdehung des Körpers in den Raum hinein. Wer Ängste überwinden will, wird es deswegen wertvoll finden, sich in seinen Bewegungen ausreichend Raum zu geben.

Gefühle in Bewegung (4): Warum Bewegung für unsere Gefühle gut ist

Freitag, September 30th, 2011

Um zu verdeutlichen, wie ein gelingendes Zusammenspiel von Fühlen und Denken möglich werden könnte, möchte ich zunächst etwas über die Rolle der Bewegung für das Gefühlsleben sagen. Schauen wir auf die beiden Funktionen von Gefühlen – Information und Motivation – und fragen, welchen Einfluss Bewegung auf die Verwirklichung dieser Funktionen hat.

Bekanntlich ist es möglich, Gefühle zu übersehen, zu unterdrücken, zu verdrängen. Bei all diesen Verdrängungsprozessen gleich welcher Ursache spielt der Körper eine wichtige Rolle. Da Gefühle von selbst auftauchen und sich mit einiger Intensität in die Aufmerksamkeit drängen, ist es aufwändig, Gefühle, die man einmal deutlich wahrgenommen hat, anschließend zu ignorieren. Wenn man wirklich sicher gehen will, dass die lästigen Signale der Gefühle den gewohnten Gang der Dinge nicht stören, ist es weitaus wirksamer, dafür zu sorgen, dass man sie erst gar nicht wahrnimmt. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.

Wenn Sie beispielsweise Ihre Atmung übermäßig kontrollieren, beschränken Sie die vertiefte Atmung, die mit Gefühlen wie Ärger, Schmerz oder Freude einhergeht. Dadurch wird es fast unmöglich, diese starken Gefühle überhaupt differenziert zu erleben. Wenn Ihre Bewegungen im Korsett angestrengter Muskelkoordinationen stecken, fühlen Sie sich selbst nicht so deutlich. Die sensorische und emotionale Wahrnehmung ist weniger intensiv. „Bin ich wütend? Ach nein, nur etwas verwundert? Bin ich enttäuscht? Ach was, das ist schon in Ordnung.“ Sich selbst weniger zu fühlen, ist oft ein schrittweiser Prozess, ähnlich dem allmählichen Grauerwerden einer Fensterscheibe. Erst wenn man wieder Klarheit herstellt, erkennt man, worauf man die ganze Zeit verzichtet hat.  

Das ist der Grund, warum umgekehrt eine Verbesserung der Bewegung die Wahrnehmungsfähigkeit steigert und dann zu einer erhöhten Sensibilität gegenüber Gefühlen führt. Wer beweglicher ist, wird sich nicht nur beweglicher fühlen, sondern auch offener, freier und lebendiger. Wir dürfen nicht vergessen, dass Fehlspannungen nicht nur mit unangenehmen Körperempfindungen einhergehen, sondern auch Gehirnleistung binden. Es ist nicht nur körperlich, sondern auch geistig anstrengend, sich ungünstig zu bewegen.

Bewegung beeinflusst nicht nur die sensorische Sensibilität, sondern ist auch an der motivierenden, energiegebenden Funktion von Emotionen direkt beteiligt. Denn natürlich empfindet ein Mensch, der sich in seinem Körper zu hause fühlt, der motorisch handlungsfähiger und energievoller ist, weniger Angst und Unsicherheit, dafür mehr Selbstvertrauen und Mut. Er wird sich mehr zutrauen und leichter zu sich stehen, er wird fähig sein, sich den Raum zu nehmen, den er braucht. Emotionen geben uns eine mächtige Antriebsenergie, wenn wir jedoch diese Energie nicht in gute Bewegungsbahnen lenken, kann es passieren, dass wir aus der Kurve fliegen – oder gar nicht erst in Gang kommen.

Wenn Sie sich zum Beispiel an eine Aufgabe heranwagen, die Sie besonders reizt, die Ihnen aber auch einiges abverlangt und vielleicht auch etwas Angst macht, dann brauchen Sie nicht nur Ihre emotionale Motivation, um zum Erfolg zu kommen, sondern auch die Fähigkeit, Ihre positive psychische Energie in effiziente Bewegung zu übersetzen. Der Körper ist das Organ der Verwirklichung, er ist ein Instrument, das unsere Absichten zum vollen Ausdruck bringt. Wenn wir es nicht verstehen, mit ihm angemessen zu kommunizieren, bleiben unsere schönen Träume im Ungefähren. In meiner Praxis beobachte ich oft, dass Menschen an sich zweifeln, weil sie nicht das tun, was sie gerne wollen. In vielen Fällen ist  die effiziente Energetisierung des Körpers ein entscheidender Schritt auf dem Weg zum Erfolg. Gerade dann, wenn man an eine Sache mit gemischten Gefühlen herangeht, und ein Scheitern durchaus möglich, ist es wichtig, den Einfluss von Angst und Unsicherheit in Grenzen zu halten und sich und seine Energien auf gutes Gelingen auszurichten.

Daher ist es wichtig, Gefühle nicht bloß als psychisches Phänomen zu begreifen (was sie selbstverständlich auch sind), sondern auch als körperliches. Gute Bewegung verbessert die Wahrnehmungsfähigkeit und steigert die Ausdrucks- und Handlungsfähigkeit. Dies kommt unserem emotionalem Erleben unmittelbar zugute.

Gefühle in Bewegung (3): Wozu der Schmerz?

Donnerstag, September 29th, 2011

Dank ihrer besonderen Eigenschaften (Schnelligkeit, Intensität und Eigenwilligkeit) können Gefühle ihre Funktion ganz besonders gut erfüllen. Gefühle machen uns darauf aufmerksam, dass etwas Bedeutsames passiert – und sie tun dies so, dass wir sie nicht ohne weiteres ignorieren können. Was genau im Moment so wichtig ist, müssen wir selbst herausfinden. Gefühle tragen kein Etikett, auf dem steht, was sie bedeuten. Gefühle verbinden uns einfach in Sekundenschnelle mit einer Bewertung der Situation. Vor dem Hintergrund unserer gesamten bisherigen Erfahrung sagen uns Gefühle, wie das, was wir da gerade erleben für uns einzuschätzen ist, ob es für uns gefährlich, wertvoll, langweilig oder reizvoll ist. Wir tragen in uns eine riesige emotionale Datenbank, die zu Beginn des Lebens (manche sagen, schon bereits vor der Geburt) angelegt und seither mit immer neuen Informationen gefüttert wurde.

Stellen Sie sich vor, Sie besichtigen eine neue Wohnung. Während Sie durch die leeren Räume spazieren und sich die Ausführungen des Maklers anhören, bekommen Sie so ein komisches Gefühl im Bauch. Sie können sich das gar nicht genau erklären, denn die Wohnung ist eigentlich ganz schön, aber irgendwie gefällt Ihnen die Vorstellung nicht, dort zu wohnen. – Solche komischen Gefühle können nicht immer aufgeklärt werden. Vielleicht wird Ihnen später klar, dass die Wohnung Sie an eine frühere Wohnung erinnert hat, in der Sie sich wie in einer verlassenen Höhle gefühlt haben. Vielleicht fällt Ihnen aber auch auf, dass es eher der unsympathische Makler war, der zu Ihrem Eindruck beigetragen hat.

Gefühle sind zunächst ungenaue Informationsgeber, dafür aber sehr schnelle und intensive. Diese Eigenart ist auch für ihre zweite wichtige Funktion von Bedeutung: Gefühle geben uns Energie, unsere Bedürfnisse, Wünsche und Anliegen auszudrücken und etwas zu unternehmen. Gefühle wollen irgendwohin mit uns. Sie haben gewissermaßen einen Auftrag. Sie drängen, locken, ziehen, treiben uns – sie bewegen uns in eine bestimmte Richtung.

Wir brauchen Gefühle, damit sie uns über uns und die Welt informieren und zu aktivem Handeln motivieren. Selbsterfahrung und Selbstausdruck kommen ohne Gefühle nicht aus. Wenn wir lernen, auf unsere Gefühle zu achten und ihre Signale zu verstehen, wird es uns gelingen, bessere Entscheidungen zu treffen, Probleme leichter zu lösen, anderen Menschen mit Offenheit und Selbstvertrauen zu begegnen und unserem Leben eine sinnvolle Richtung zu geben.

Die Schwierigkeit, die sich uns aber dabei präsentiert, ist, dass Gefühle nicht bloß brav auf gedankliche Bewertungen reagieren, sondern auch auf Wahrnehmungen anspringen, die wir jetzt machen und die uns mit dem Erleben vergangener Erfahrungen verbinden. Dadurch wird eine Überlegung notwendig: Ist die aktuelle Situation wirklich mit der vergangenen zu vergleichen? Hilft mir die Emotionen, die anstehende Situation gut zu bewältigen?

Wir stoßen hier auf das alte Problem des Verhältnisses zwischen Fühlen und Denken. Sollen Verstand und Wille das Gefühl „beherrschen“ oder sollen wir den Gefühlen die Führung überlassen?

Gefühle in Bewegung (2): Wie sind Gefühle?

Mittwoch, September 28th, 2011

Es wird keine Einigkeit darüber zu erzielen sein, was genau eine Emotion ist und was nicht. Ist Überraschung eine Emotion? Oder Verspieltheit? Immerhin ist klar: Die großen Gefühle sind Angst, Schmerz, Wut, Trauer, Liebe. Darüber hinaus gibt es viele Spielarten, Abwandlungen, gemischte Gefühle.

Was mich hier mehr interessiert, ist die Qualität von Gefühlen, ihre Beschaffenheit. Wenn man Gefühle mit Gedanken vergleicht, fällt vor allem auf: Gefühle sind besonders schnell, besonders intensiv und besonders eigenwillig.

Gefühle entstehen aus Bewertungen. Wenn Ihnen beispielsweise einfällt, dass Sie Ihren Hausschlüssel vergessen haben mitzunehmen, könnten Sie sich ärgern – falls Sie die Einstellung haben, dass ein normaler Mensch keine Schlüssel vergessen sollte. Jeder emotionalen Reaktion liegt eine Bewertung zugrunde. An Kinder kann man manchmal ganz schön beobachten, wie sie regelrecht überlegen, ob sie anlässlich eines Missgeschicks weinen oder lachen sollen.

Doch Gefühle aktivieren sich nicht bloß, wenn der Verstand eine bestimmte Bewertung abgibt. Gefühle springen assoziativ von selbst an, wenn bestimmte Wahrnehmungen gemacht werden, die uns an frühere Wahrnehmungen erinnern. Gefühle verfügen physiologisch gewissermaßen über Schnellleitungen, die sie am Verstand vorbei schleusen. Die emotionale Bewertung einer Situation kann erfolgen, bevor der Verstand kapiert hat, was los ist. Wir kennen das alle: Ein Duft oder ein Lied kann schöne Erinnerungen wachrufen und schon schweben wir auf einer Wolke des Entzückens. Heinrich Heines Loreley ist ein klassisches Beispiel:

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,

Dass ich so traurig bin,

Ein Märchen aus uralten Zeiten,

Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Natürlich beruhen die ursprünglichen emotionalen Erfahrungen ebenfalls auf Bewertungen, aber die Wege der Erinnerung sind verwinkelt und kaum je ganz aufzuklären. Hier und heute kann der erinnerungsgestützte emotionale Bewertungsprozess oft nicht mehr bewusst durchdrungen werden, er ist fest verwoben mit der sensorischen Erfahrung. Entscheidend ist, was ankommt: das unmittelbare intensive Gefühl. Lange bevor wir Gefühle verstehen können, wirken sie.

Die Intensität von Gefühlen hängt mit ihrer leiblichen Qualität zusammen, ihrer Spürbarkeit. Gefühle werden eben gefühlt, also körperlich erlebt. Gefühle bewegen uns mit Haut und Haaren. Ein Gedanke kann etwas klarer machen, Verbindungen herstellen, Möglichkeiten aufzeigen. Ein Gedanke überzeugt, leuchtet ein, verwirrt, aber er kann uns nur dann ganz packen, wenn er auch mit Emotionen einhergeht. Und zuletzt: Dass Gefühle so eigenwillig sind und man ihnen nicht gebieten kann, wissen wir gut aus Erfahrung. Man kann sich Gedanken machen, aber nicht Gefühle – die kommen oder nicht, wie sie wollen.

Besonders schnell, besonders intensiv, besonders eigenwillig – das sind Gefühle.

Gefühle in Bewegung (1): Nicht ganz so einfach

Montag, September 26th, 2011

Gefühle sind Bewegung. Das Wort Emotion deutet darauf hin, dass Gefühle etwas sind, das sich und das uns bewegt. Gefühle bewegen uns auf verschiedene Weise. Freude hüpft, Trauer zieht nieder, Verzweiflung schüttelt, Zuversicht treibt voran.

Emotionen können uns auch bedrängen, einengen, zerreißen, belasten. Sie sind da. Sie sind nicht wegzuschieben. Sie bringen unsere Pläne durcheinander. Sie wollen sich durch bloßes Zureden nicht verziehen. Aber: Ohne Emotionen ist das Leben ist nicht lebenswert. Nur wenn wir fühlen können, können wir das Leben vollständig leben. Für unsere Lebensgestaltung, für unsere Zufriedenheit, unser Glück, für unsere körperliche, geistige und seelische Gesundheit sind Gefühle wichtig.

Früher hieß es: Haltung bewahren! Seine Gefühle muss man im Griff haben. Später änderte sich das und manche sagten: „Das ist eben mein Gefühl“, als wollten sie sagen: „Darüber kann man nicht diskutieren, Gefühle haben immer recht.“

Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Gefühle sind weder eine Gefahr für unsere innere Ruhe noch ein Freifahrtschein für willkürliches Handeln. Es geht darum, die natürlichen Eigenschaften und Funktionen von Gefühlen zu verstehen. Dann hat man eine bessere Chance, mit Gefühlen gut umzugehen. Wie man mit den eigenen Gefühlen umgeht, bestimmt, ob sie ihren Wert für uns wirklich entfalten, oder ob sie uns (und andere) täuschen und fehlleiten. Jeder hat das schon einmal erlebt: da ist irgendetwas so ganz wichtig, man ist sich sicher, wenn ich dies oder jenes habe, dann bin ich glücklicher. Und dann bekommt man es, und was passiert? Nichts weiter. Die Suche nach der nächsten Wichtigkeit beginnt – die Jagd nach dem Glück.

Gefühle brauchen unsere aktive Mitarbeit. Wir können sie verstehen und ihre Energie gut für uns nutzen – oder sie können uns verwirren und in Aktionen stürzen, die wir später lieber rückgängig machen würden.

Ich frage: Wie können wir Gefühle besser verstehen? Wie können wir ihre Energie besser für uns nutzen? Wie können wir starre emotionale Zustände wieder ins Fließen bringen? Wie können lebendige Emotionen unser Leben und persönliche Entwicklung bereichern? Wie können wir Gefühle in Bewegung und Bewegung in Gefühle bringen?

Wenn Sie zum Beispiel den Wunsch haben, sich weniger Sorgen zu machen, sich von Ängsten nicht überfallen zu lassen, sich von der Wut nicht mitreißen zu lassen, sich genussvoller durchs Leben zu bewegen oder mit Freude und postiver Motivation Ihre Dinge zu tun, dann ist diese in lockerer Folge erscheinende Serie von Beiträgen für Sie interessant.